Erweiterung des städtischen Friedhofs

auf der Insel von San Michele

Venedig, IT

Projektdaten

Im landschaftlichen und städtebaulichen Maßstab stellt das Vorhaben der Erweiterung des kommunalen Friedhofs von Venedig eine doppelte Herausforderung dar:

Einerseits kann ein Eingriff dieser Größenordnung in das Gelände der Lagune heute nicht mehr (wie in der 60er Jahren) als Frage des pragmatischen Flächengewinnes gesehen werden. Die Lagune ist keine potentiell verfügbare Landreserve - sie ist mehr als das. Der Eingriff muß versuchen, die Lagune als Grundstruktur und sensible Lebensgrundlage der Stadt Venedig zu reinterpretieren und neu erfahrbar zu machen.

Die andere Herausforderung besteht darin, daß die geplante Erweiterung des Friedhofs von S. Michele die wahrscheinlich letzte Gelegenheit bietet, mit minimalen Eingriffen in den Bestand die gravierenden Erschließungsprobleme der gesamten Anlage zu lösen. Das bedeutet, daß es vordringliches Ziel des Entwurfs sein muß, die dafür notwendigen, der neuen Dimension des Friedhofs angemessenen Infrastrukturen zu schaffen.

Diese beiden Forderungen überlagern sich in der grundlegenden Frage der Beziehung zwischen dem differenzierten räumlichen und programmatischen Gefüge des Friedhofs und dem verzweigten infrastrukturellen System der lagunaren Kanäle. Indem der Ansatz der Erweiterung auch die bestehenden Teile der Anlage auf diese die Lagune durchziehenden Transportwege hin reorientiert, und damit die Erschließung des gesamten Friedhofs entscheidend verbessert, eröffnen sich zugleich Möglichkeiten, ein neues Bild der Lagune zu entwerfen, das die geschichtlichen Bedingungen der Besiedlung eines extremen Lebensraumes in ihrer erstaunlich aktuellen ökologischen Komplexität erkennen läßt.

BEZIEHUNGEN ZUM BESTAND

Voraussetzung für eine Reorientierung des Friedhofs ist es, die Chance zu nützen, zwischen den extrem dicht belegten bestehenden Sektoren für Erd- oder Nischengräber und den neuen Friedhofsteilen, in der günstigsten Position für die künftigen Erweiterungen, einen offenen Zwischenbereich zu schaffen: einen Bereich, gebildet aus einer Abfolge offener Räume, die von spezifischen Nutzungen weitgehend freigehalten sind und die Anlegestellen und Zugangszonen, die Verwaltung, die Serviceeinrichtungen und das Krematorium aufnehmen und miteinander verbinden. Dieser Zwischenbereich ermöglicht es gleichzeitig, die erweiterte Friedhofsanlage auf eine neue Weise mit dem lagunaren System in Beziehung zu setzen.

Die dadurch angestrebte Neuordnung soll auch die auf die Fondamenta Nuove ausgerichtete, starre und dominante Frontalität der historistischen Anlage, deren für Boote unerreichbarer achsialer Hauptzugang die Hauptursache für die Erschließungsprobleme des Friedhofs darstellt, mit der geradezu strategischen Orientierung des alten Klosters von S. Michele in ein neues Gleichgewicht bringen. Die vorgeschlagene physische und visuelle Verbindung zwischen dem Klosterkomplex und den projektierten Erweiterungen, deren wichtigste Bauteile auch maßstäblich auf die Trakte des Klosters bezogen sind, gibt der Anlage aus dem 19. Jahrhundert eine neue Fassung. Von der neuen Anlegestelle aus, die unmittelbar an das Kloster anschließt, öffnet sich an der Nordostseite der bestehenden Anlage der Zugangsbereich in Richtung des ersten Gräberfeldes der Erweiterung.

FÜNF REALISIERUNGSPHASEN

1)Gliederung des ersten Bauabschnitts auf dem bereits trockengelegten Sektor an der Ostecke der Insel (Lotto 1) als offenes Raumgefüge mit eingeschlossenen Hofbereichen für die verschiedenen allgemeinen Serviceeinrichtungen

2)Reorganisierung der Aufschließung des gesamten Friedhofs über die neue Anlegestelle und über den von Gräbern freigehaltenen Zugangsbereich, der gemeinsam mit dem ersten Bauabschnitt als offene Zwischenzone die bestehenden und die neuen Friedhofsteile verbindet

3)In die künstliche Tektonik der neuen Gräberfelder ein dichtes räumliches Geflecht der den unterschiedlichen Begräbnisformen entsprechenden Orten des Gedenkens einschreiben.

4)Darstellung der Beziehung mit dem Landschaftsraum der Lagune (dem Raum der Stadt Venedig) durch die durchlaufenden Strukturen und Wege der Umschließung der neuen Friedhofsteile, sowie durch die besonderen Bauten der "Manici Lunghi".

5)Durch punktuelle Eingriffe in den älteren Friedhofsteilen könnte auf der Basis der angeführten Maßnahmen deren innere Erschließungsstruktur wesentlich verbessert werden.

Künftige Erweiterungen könnten unter Benutzung der angelegten Infrastrukturen in 2-3 weiteren Abschnitten von jeweils ca. 20.000m2 Grundfläche erfolgen.